Das Brauchtum hatte seit je her eine wichtige Funktion in der Gesellschaft. Es gab den Menschen die gemeinsame Handlungsfähigkeit zum Beispiel gegen aufkommende Aengste. Die Menschen trafen sich in den Bräuchen aus Gründen, die über die Existenzsicherung hinausreichten. Das Brauchtum vermittelte die Erfahrung von Gemeinschaft mit denselben Werten, den Zusammenhalt. Die wichtigsten Elemente sind dabei Feuer und Licht, Lärm und Knall, Masken und vermummte Gestalten.
In einigen Tälern in den Alpen sind noch alte archaische Bräuche lebendig. Die Zutaten waren in den ärmlichen Gegenden das, was an natürlichen Ressourcen eben da war: Stroh, Laub, Tannenzweige, Schnüre für die Geislechlöpfer, Holz für die Masken.
Bräuche, Sagen und Märchen wurden vor vielen Jahrhunderten nicht schriftlich festgehalten. Sie handelten von der bäuerlichen und handwerklichen Kultur. Natur und die Kirche bestimmten die Brauchtumszyklen. Was ist heidnischen, vorchristlichen Ursprungs, was christlichen? Oft eine Mischung von allem.
In den früher kleinen Dörfern mit abgelegenen Streusiedlungen spielten sich die Bräuche meistens dezentral ab. So auch der folgende des „Chlauseslä“ in Oberägeri. Dieser Brauch kann hier bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Die Rotten durften nur aus ledigen Männern bestehen, die dabei gerne auf den abgelegenen Höfen auf Brautschau gingen. Die Rotte Alosen zum Beispiel besteht heutzutage noch aus 60 ledigen Männern und hat keinerlei Nachwuchsprobleme, obwohl der Weiler Alosen nur 600 EinwohnerInnen zählt.
Während der dunklen Jahreszeit plagten die Menschen allerlei Aengste vor Geistern, die ihr Unwesen trieben, vor Dämonen, die in die Häuser drangen. Mit Lärm wie Geisselknallen und lauten Kuhglocken versuchte man, diese furchterregenden Gestalten zu vertreiben.
In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember ziehen die Chlausrotten, eine Gruppe von Niklaus, Schmutzli und dem Esel, der die feinen Nüsse, Mandarinen und Lebkuchen schleppt, Iffelenträgern, Trychlern (Kuhglockenträgern), Geisslechläpfern und den Musikern mit dem Schwyzerörgeli von den Hügeln hinab ins Dorf. Dabei machen sie bei jedem Hof/Haus halt. Chlaus und Schmutzli treten in die Wohnzimmer, berichten aus ihrem weisen Buch, hören den Kindern zu und beschenken die Anwesenden mit den Lebkuchen und Nüssen. An einem Holzstock ist ein gebastelter Eselskopf, oft mit langen farbigen Bändern, befestigt. Der „Chlausesel“ , der dem Brauch seinen Namen gab. Er hat als Maul ein kleines Täschchen, in das gerne eine Geldspende verschwinden würde. Die anderen Mitglieder der Rotte lassen vor dem Haus die Geisseln chläpfen, läuten die Herdenglocken und der Musikant spielt auf der Handharmonika. Wenn möglich wartet danach der Kafischnaps und ein kleiner Imbiss auf die Beteiligten, um sich ein wenig zu wärmen und stärken bevor der lange, kräftezehrende Marsch zu den Nachbarn führt. Am Schluss ziehen die Rotten ins Dorf und erfreuen die Zuschauer und Zuhörerinnen am Strassenrand und in den Gasthäusern mit ihren gekonnten und ohrenbetäubenden Darbietungen.
Einem dieser Chläuse durfte ich am Bart herumzupfen und merkte, dass dieser aus Schaffell gemacht ist.
Mehr zum vielfältigen Brauchtum in Oberägeri in der Brauchtumsbroschüre unter http://www.oberaegeri.ch