Bernhard Vogelsanger: Der die Puppen singen und tanzen lässt!

Viele ZürcherInnen wissen gar nicht, dass wir bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts eine winzige Oper mit acht Plätzen in Schwamendingen hatten. img_1415

Bernhard Vogelsanger war ihr Bühnenbildner, Regisseur, Intendant, Direktor, Sänger in Personalunion. Er wurde 1920 in eine einfache Handwerksfamilie geboren. Nachdem er als Sekundarschüler die  Opernaufführung  „Simone Boccanegra“ am Opernhaus Zürich besuchen durfte, war es um ihn geschehen. img_1411Er wurde lebenslanger Fan und er wollte unbedingt Bühnenbildner werden. Doch dies gelang leider nicht und er machte die Lehre als Dekorateur. Sobald er wieder genug Geld gespart hatte, besuchte er die diversen Opernaufführungen und legte sich eine grosse Plattensammlung zu. Wo er das Singen gelernt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber er durfte immerhin  während eines Jahres in einem Extrachor des Opernhauses mitsingen.

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Zuhause lebte er mit seiner Mutter in einer 3-Zimmer-Genossenschaftswohnung. In seinem kleinen Zimmer bastelte er aus Kartonschachteln die Bühnenbilder von  80 Werken aus Oper und Operette. Ueberall stapelten sich die zusammenlegbaren Bühnenbilder.

Dabei blieb es nicht etwa bei Imitationen der realen Opernaufführungen, nein, er entwarf auch nach seinen eigenen Ideen. Dazu verfertigte er akribisch Skizzen. Um die Opern richtig nachspielen zu können, benötigte er natürlich noch die entsprechenden „Sängerinnen und Sänger“ und die „Komparsen“.img_1416 Auch diese entstanden in unglaublich detailierter Handarbeit aus Karton. Die Figürchen bekamen alle mehrere Fäden, so konnte er sie wirklich tanzen lassen. (Im Dokumentarfilm wird eine Aufführung gezeigt, in der die Sängerin sogar das Tamburin bewegte, während sie tanzend auf und ab hüpfte. Ein visueller Genuss!)

Wofür die ganze Arbeit?  Er bezog sein ehemaliges Kinderzimmer mit rotem Krepp, erstand acht ausrangierte Kinostühle und liess  das winzige Opernhaus in Schwamendingen erstehen. Jeweils samstags lud er ein paar Leute zur Darbietung ein. Dafür entwarf er eigens Plakate. Er selber stand hinter dem schwarzen Vorbau mit dem Guckkasten, in dem das jeweilige Bühnenbild präsentiert wurde und bewegte die Fäden der Figuren im Takt der Musik, die über Schallplatten übertragen wurde. Dabei kam er immer wieder vor die Bühne und erzählte die Handlung des Stückes.

Für jede Oper überlegte er sich eine eigene Inszenierung. Während im Hintergrund die Schallplatte lief, liess er die Püppchen singen und tanzen. Falls es mal eine kurze Unterbrechung gab, weil er die Platte drehen musste, sang er gleich selbst ein paar Takte. In der Pause bewirtete er seine Gäste mit aufwändigen Häppchen und Schaumwein.

Im Dokumentarfilm, sehen wir die fein zurechtgemachten Geladenen, die ausgesprochen beglückt waren über dieses Gesamtkunstwerk, das sie mit einem vollendeten Gastgeber erleben durften. Auf dieser winzigen Bühne war Platz  für die grossen Dramen um Liebe,  Leidenschaft und Tod. Erzählt und dargeboten von einer Persönlichkeit  mit vielen Talenten: Bernhard Vogelsanger (1920-1995)

Die Ausstellung  Papagena und andere schräge Vögel fand im Musée Visionnaire statt. Dort wurde auch der Dokumentarfilm des Schweizer Fernsehens gezeigt.

http://www.museevisionnaire.ch

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