Die Künstlerin Elisabeth Eberle wurde 1963 in Vancouver geboren. Die Familie kehrte in die Schweiz zurück, als sie noch ein Kleinkind war. Seither lebt sie in Zürich. Bereits in ihrer Kindheit wurde gemeinsam die Art Basel besucht. Nach diesen Inspirationen hatte Elisabeth mit ihren Brüdern jeweils versucht, «Kunst» herzustellen. Gemeinsam bastelten sie, schufen Installationen, sprühten Goldfarbe über ihre Kreationen und lebten so ihre Fantasie aus bis zur nächsten Ausstellung.

Als Teenager erhielt sie die Möglichkeit, in einem Atelier für künstlerischen Handdruck zu arbeiten. Sie lernte dort verschiedenste Techniken wie Lithographie, Tiefdruck oder Holzdruck. Zudem wurde ihr diese Infrastruktur zur Verfügung gestellt für die Umsetzung ihrer eigenen Ideen.
Als das Atelier schliessen musste, konnte sie das Inventar übernehmen.

Nach der Matura studierte sie Pharmazie an der ETH. Die gesamte Methodik, das Labor dienen ihr seither als Grundlage zur steten Veränderung der Wahrnehmung. Auch im wissenschaftlichen Zeichnen versucht sie den Rahmen zu sprengen.
Sie geht als Naturwissenschafterin an die Dinge heran, befragt sie. Was ist Natur, wo fängt sie an? Wie lässt sie sich auflösen, verändern, in andere Zustände überführen?
In Parks sind ihr öfters kleine Plastiksachen aufgefallen, die jemand dort vergessen hat. Künstliche, farbige Massenware. Aber auch diese stehen im Zusammenhang mit Natur: über die Formen bis zum Ausgangsmaterial.

Als sie sich wieder mal zufällig über ein vermeintliches Spielzeug beugte, um es anzusehen, da staunte sie. Bei diesem seltsam geformten Etwas handelte es sich um die Frucht des Baumes, unter dem sie stand.

Seither setzt sie sich intensiv mit diesen orange-roten Früchten des Magnolienbaumes auseinander, aus deren Keimen das Leben spriesst. Sie hat eine umfangreihe Sammlung davon angelegt. Sie lässt die einzelnen Früchte reifen, trocknen, gefrieren. Diese diversen Phasen erfasst sie in den verschiedensten Stadien und protokolliert sie.
Die Früchte werden zudem in Gips oder Latex gegossen und dreidimensional eingescannt. Dank neuester Technologien und Bildbearbeitungsprogrammen verändert und manipuliert sie diese Formen.

Entweder entstehen daraus zweidimensionale Arbeiten auf Papier, wie diese mit dem Computer generierte Plotterzeichnungen. Oder sie führt sie wieder ins Räumliche zurück in kleine oder durch die Vergrösserung in monumentale Skulpturen.
Als Forscherin betrachtet Eisabeth Eberle die Natur mit System, als Künstlerin interessiert sie der Diskurs Natur/Kultur. Die eher kleinen Magnolienfrüchte werden durch die vergrösserte visuelle Umsetzung verfremdet. Im 3D-Verfahren hergestellt, wirken die riesigen Skulpturen wie schwellende Organismen oder sklerotische Figuren. Durch diese veränderten Dimensionen eröffnen sich ganz unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten.

Als ich in ihrem Atelier war, meinte ich zwanghaft, alles berühren zu müssen. Vor allem die grossen Objekte aus Eiche. Einige davon hat die Künstlerin mit Graphitstaub überzogen und dementsprechend bekommen die Tastenden «schmutzige» Hände. Was heisst es, wenn wir die Natur berühren, bekommen wir nur schwarze Finger oder werden wir dann „schmutzig“? Die schwarzen Objekte erinnern viele an verkohlte Figuren, in anderen lösen sie eher erotische Assoziationen aus. Doch mich hat die Fremdheit erstaunt. Sie entziehen sich dem Verstehen durch Annäherung und Zurückweisung.

Nicht nur die echten Magnolienfrüchte giesst sie in Latex, auch die grossformatigen Skulpturen werden in Latex gehüllt, um sie danach wieder zu enthüllen. Diese Hüllen aus schwarzem oder farbigem Latex hängt sie als Abbild daneben auf. Was ist nun innen, was aussen? Was Natur, was Kultur? Das digitale Herbarium zum Leben geweckt?
Kürzlich bekam Elisabeth Eberle die Gelegenheit eines viermonatigen Atelieraufenthaltes in Paris. Auf der Strasse unter ihr hielten zur Prävention terroristischer und politischer Anschläge junge Polizisten Wache. Ihre verängstigten Gesichter und die Waffen beschäftigen die Künstlerin. Seither versucht sie nun, wieder mittels neuester Technologie, Waffen und Kopfformen zu hinterfragen, zu mutieren.
Ihre künstlerische Arbeit könnte als WUNDERKAMMER verstanden werden. Vom Mittelalter an bis in die Neuzeit hielten Fürsten Sammlungen. Oft, um die kosmisch-göttliche Ordnung der Welt zu zeigen, noch öfter vielleicht auch als einfache Machtdemonstration.

Die Sammlungen waren eingeteilt in Naturalia (ihre pflanzlichen Fundstücke) und Artificalia (ihre Plastikobjekte). Auch gehörten Apotheke, Laboratorium und Garten dazu.

In einem Schreiben an mich meinte Elisabeth Eberle: «Bei mir handelt es sich wohl eher um eine zeitgenössische Wunderkammer. Wobei ich bei alledem eher die aktuellen (Macht)verhältnisse hinterfrage, als sie zu demonstrieren. Ich wende mich mit meiner künstlerischen Position auch von der wissenschaftlichen Rationalität ab.»

Ihre Kunstwerke sind intuitiv zugänglich mit ihrer Haptik. Mittels ihrer Formen lösen sie die unterschiedlichsten Assoziationen aus. Aber in der Auseinandersetzung um Natur und künstlerische Verfremdung behalten sie ihr Geheimnis.

Für alle weiteren Informationen zu Werken, Ausstellungen und Publikationen: http://www.elisabetheberle.ch
