Dieses Mal werde ich euch von einer Künstlerin berichten, die mir gänzlich unbekannt war. Dabei hatte sie ab Mitte der 1940er Jahre viele bedeutende internationale Ausstellungen in Basel, Florenz, Madrid, Stockholm, London, Chicago oder New York. Sie geriet in Vergessenheit und wird momentan in der Berliner Galerie «Die Möwe» wiederentdeckt. Weitere Ausstellungen in Deutschland sind geplant. Ihr lyrisches und poetisches Werk hingegen harrt noch der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Sie wurde 1920 unter dem Namen Katja Casella geboren und hatte eine jüdische Mutter und einen kommunistischen Vater. 1938 fing sie das Studium der Malerei an der Berliner Hochschule der Künste an.

Da ihr 1942 die Nationalsozialisten das Studium verboten haben und sie von der Gestapo gesucht wurde, floh sie nach Polen. Davor hatte sie Menschen aus dem politischen Untergrund bei sich im Atelier versteckt und die antifaschistische Widerstandsgruppe «Rote Kapelle» aktiv unterstützt. Sie hatte Glück und entkam mitsamt ihren Eltern den Nazis, im Gegensatz zu ihrem späteren Ehemann Karl Meirowsky. Dieser entstammte einer angesehenen jüdischen Familie in Berlin. Er wurde als junger Mann im KZ Sachsenhausen interniert, konnte aber freigekauft werden. Seine Mutter und Schwester wurden jedoch ermordet. Er gelangte nach London, promovierte in Kunstgeschichte und kam 1947 nach Berlin zurück, wo er für die Militärregierung der USA arbeitete. Auch Katja Casella war nach dem Krieg erneut nach Berlin gezogen.



Beide waren die Gründer von zwei Künstlerkabaretts „Die Quallenpeitsche“ und „Das Atelier“. Katja war ausserdem im auch von ihr initierten surrealistischen Kabarett „Die Badewanne“ als Darstellerin engagiert und entwarf die Bühnenbilder und Kostüme. Diese Kabaretts waren ihre Orte der „Freiheit und Frechheit“ mit Jazzmusik und Tanz. Hauptsächlich aber malte und zeichnete sie. Wobei das Schreiben ebenfalls einen hohen Stellenwert für sie hatte. Damit ihr davon einen Eindruck bekommt, zeige ich euch eines ihrer Gedichte.

Sie hatte eine besondere Stellung unter den avantgardistischen Künstler*innen der Nachkriegszeit inne, das beweisen ihre erfolgreichen nationalen und internationalen Ausstellungen. Sie hat darüber eine Art Tagebuch geführt mit all den Rezensionen.


Anfang der fünfziger Jahre wählte das Ehepaar Meirowsky zusammen mit befreundeten Künstlern Ibiza zu seinem neuen Lebensmittelpunkt. Sie entflohen dem bedrückenden Nachkriegsdeutschland mit seinen schrecklichen Erinnerungen auf die sonnige Insel. Die Eindrücke aus beiden Lebenswelten inspirierten Katja Meirowskys folgenden Werke. Die unbekannten Motive faszinierten sie. Ihr Stil ist schwer fassbar, da es keinen einzelnen gibt. Sie folgte kaum künstlerischen Moden. Eher kubistische Figuren wechseln sich ab mit Landschaften. Dann überraschen wieder abstrakte Formen. In einem kurzen Film in der Ausstellung zeigt sie ihre Offenheit. Sie sitzt vor der weissen Leinwand und im Off fragt jemand, was sie denn heute zu malen gedenke. Stets eine Zigarette zwischen den Fingern antwortet sie, das wisse sie nicht, das käme auf sie zu. Sie liess die Leinwand sprechen. Ihr künstlerisches Werk ist vielfältig und besteht aus Oel- oder Acrylbildern, Zeichnungen, Collagen und Siebdrucken. Dabei schöpfte sie aus ihren persönlichen Empfindungen. Innen- und Aussenwelt schoben sich ineinander. Auf mich wirken die Bilder ob abstrakt oder gegenständlich manchmal wie durch einen Schleier gedämpft, erreichen einen leicht träumerischen Effekt.

Fast fünfzig Jahre bleibt sie auf Ibiza, selbst noch lange, nachdem ihr Ehemann gestorben ist. Auch die meisten der früheren Malerkollegen sind bereits tot. Das Ehepaar lebte in einem alten Haus weit oberhalb eines Dorfes. Das wird ihr dann als Achtzigjährige zu mühsam, immer alle Einkäufe den Berg hoch zu schleppen. Zudem ist es abgelegen. Sie hat sich ein Gewehr erstanden, damit sie bei einem Notfall so auf sich aufmerksam machen könnte. In dieser Situation raten ihr Bekannte, doch nach Potsdam zu ziehen, was sie im Jahre 2000 auch tut. Unermüdlich arbeitet die Künstlerin selbst im hohen Alter weiter bis sie 2012 stirbt. Sie liegt in einem Urnengrab in Berlin vereint mit ihrem Ehemann.

Dass sogar ehemals bedeutende Künstler*innen aus den vergangenen Jahrhunderten in Vergessenheit geraten, ist sicher normal. Aber dass dies vornehmlich die (wenigen) Künstlerinnen betraf, ist eindeutig abnormal und muss eher sexistische Gründe haben. In den letzten drei, vier Jahren haben die Wiederentdeckungen der Werke von Frauen durch Museen und Galerien glücklicherweise zugenommen. Dies ist aber nicht einfach dem schönen Zufall zu verdanken, sondern der Forderung vieler, die auf diesen Missstand aufmerksam gemacht haben. Ob dies so weiter geht, liegt auch an unserem Verhalten: Besuchen wir diese Ausstellungen und beehren wir die Künstlerinnen mit unserem Interesse.

Die Ausstellung „KATJA MEIROWSKY Zurück in die Stadt“ fand in der Galerie „Die Möwe“ statt.