Von der österreichischen Künstlerin VALIE EXPORT waren mir vor allem ihre aufsehenerregenden Performances wie Hundigkeit und Tapp und Tastkino noch in Erinnerung. Während der ersteren führte sie ihren Freund, den Künstler Peter Weibel, an einer Hundeleine auf allen Vieren kriechend durch die Stadt Wien. Damit wollte sie die Umkehrung der aktuellen Machtverhältnisse aufzeigen.

Im Tapp und Tastkino liess sie ihre nackten Brüste von einer Kartonschachtel bedecken. Durch ein Megafon wurden die Passanten auf den Strassen aufgerufen, ihre Brüste durch zwei Oeffnungen zu berühren und ihr dabei während einer definierten Zeitdauer in die Augen zu schauen. Auf einem Video dieser Performance sind nur Männer zu sehen, die sich dazu einladen liessen. Ziemlich geniert darüber, dass sie als Teilnehmer genau betrachtet wurden. So kehrte die Künstlerin den typischen männlichen Voyeurismus einfach um.

Wer ist diese Frau, die bereits in den sechziger Jahren ziemlich schockierende Performances, Fotografien und Installationen schuf? Waltraud Höllinger wurde 1940 in Linz geboren und ging 1960 nach Wien, wo sie die Höhere Bundeslehranstalt für Textilindustrie, Abteilung Design, besuchte und mit dem Diplom abschloss. 1967 entschloss sie sich, ihren eigenen Namen und den ihres Exmannes abzulegen und sich eine neue Identität als VALIE EXPORT anzueignen. Es folgten unzählige Ausstellungen und sie unterrichtete zehn Jahre lang als Professorin für Multimedia-Performance an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Alles weitere entnehmt ihr bitte der unendlich langen Biografie auf ihrer Homepage. Was mich an ihrem Werk fasziniert, ist die Dekonstruktion von patriarchalen Machtstrukturen. Dieser klare feministische Blick bereits in den sechziger Jahren. Genau wie Maria Lassnig stellt sie den weiblichen Körper ins Zentrum.


Anders als diese setzt sie sich mehrheitlich in Film, Videokunst, Zeichnung und Body-Art mit Abbildungs- und Repräsentationsprozessen auseinander. Sie benützt ihren eigenen Körper als künstlerisches Medium und benötigt dazu die Fotografie, unter anderem zu dokumentarischen Zwecken. In der Ausstellung im Fotomuseum Winterthur wird denn auch vor allem ihr fotografisches Werk gezeigt.
Immer und überall stand und steht in ihrem Schaffen die Kritik am männlichen Dominanzstreben. So gibt es dieses Zitat von ihr: «die frau muss sich also aller medien als mittel des sozialen kampfes und als mittel für den gesellschaftlichen fortschritt bedienen, um die kultur von den männlichen werten zu befreien. Sie wird dies auch in der kunst tun.»
Die Frau als Sexualobjekt und Projektion macht sie zum Beispiel 1970 sichtbar, indem sie sich ein Strumpfband auf den Oberschenkel tätowieren lässt. Männliche Fantasie als körperlicher Schmerz.

Anhand der Nachstellungen aus dem Jahr 1976 reinszeniert sie weiblich konnotierte Posen aus klassischen Gemälden von Sandro Botticelli und Rogier van der Weyden. Durch die ungleichen Wiederholungen werden uns die Stereotypien klar.


In Blitz und Donner, 1976, transformiert sie den Körper in lineare Muster, die sie in eine Zeichnung überträgt.

Das berühmteste Foto der Künstlerin ist sicherlich Aktionshose Genitalpanik, 1969: Sie stellt sich mit gespreizten Beinen in einer im Schambereich ausgeschnittenen Hose zur Schau, quasi sich entblössend. Durch die maskuline Ausstattung wie Lederjacke, Maschinengewehr und die raumgreifende Sitzweise unterläuft sie jedoch das weibliche Klischee.

Es stellt sich selbstverständlich die Frage, wie weit sind wir heutzutage mit der Emanzipation der Frauen? Da gibt es sicherlich einige Fortschritte zu verzeichnen. Aber der weibliche Körper steht immer noch oder erneut im Zentrum der Diskussionen: das Frauenbild in den Sozialen Medien, neu entdeckt in der Gender-Medizin oder überhaupt in der Definition, was eine Frau ausmacht.
Einige ihrer Arbeiten waren mir bekannt, aber wie unglaublich vielseitig das Schaffen dieser feministischen Ausnahmekünstlerin ist, wurde mir erst klar durch die Ausstellung in Winterthur, die in enger Zusammenarbeit mit VALIE EXPORT entstanden ist. Hoffentlich konnte ich euch einige Amuse Bouche präsentieren und eure Neugierde auf mehr wecken.
Die Ausstellung VALIE EXPORT-Die Fotografien fand im Fotomuseum Winterthur statt.
Im Ausstellungskatalog von der Albertina findet ihr qualitativ bessere Fotografien und viele zusätzliche Informationen.
https://creative-brain.org/2019/11/01/maria-lassnig-ways-of-being/