Nonnen: die gebildeten Frauen des Mittelalters

Dass Nonnen eine besondere Art von Leben führten, war mir recht früh bekannt. Bereits an meinem ersten Schultag kam ich mit ihnen in Berührung und fortan widmeten sie sich mehrere Jahre lang der Vermittlung des Primarschulstoffes.

Während meines Germanistikstudiums wählte ich die Mediävistik als Schwerpunktsthema und vertiefte mich in die Christliche Mystik. Auch darin spielten die Klosterfrauen eine bedeutende Rolle.

In der mittelalterlichen Gesellschaft gab es eigentlich nur zwei Lebensmodelle für Frauen, das der Ehefrau und Mutter oder das der Nonne. Wobei die letztere Möglichkeit auf viele moderne Menschen ausgesprochen befremdlich wirkt, weil sie nur die Entsagung und den Verzicht sehen. Doch damals war dies überhaupt nicht so.

Warum etwa zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung zu Stadt und Land in Klöstern lebte, hatte auch mit deren Attraktivität zu tun. Die Klöster, die ab dem 5.Jahrhundert entstanden, boten den Frauen Schutz vor Zwangsehen und gewalttätigen Männern, einem Tod im Kindsbett oder Verarmung. Und sie ermöglichten den Zugang zu höherer Bildung. Denn die Lehre der sieben freien Künste gehörte zur Ausbildung der Nonnen: die Grammatik, die Rhetorik, die Dialektik, die Arithmetik, die Geometrie, die Musik und die Astronomie.

Und in dieser Zeit, in der die neuen Universitäten gegründet wurden, an denen die Söhne aus gutbürgerlichen und adeligen Familien aufgenommen wurden, blieben die Klöster für die Frauen zentrale Orte der Bildung und Wissenschaft. Hildegard von Bingen und Herrad von Landsberg bewiesen in ihren Schriften und im Briefverkehr mit den damaligen Gelehrten ihre intensive Auseinandersetzung mit der Theologie und prägten sie. Dabei erfuhren sie grosse Anerkennung.

In Klöstern wurden auch handwerkliche Tätigkeiten vermittelt wie die Herstellung von Altarbildern oder Messegewändern, die in feinsten Stickereien ausgeführt wurden.

Zu jeder Klosteranlage gehörte ein Garten. In dem wuchsen natürlich Nahrungsmittel, aber genauso Heilpflanzen, aus denen allerlei Medizin hergestellt wurde. Im Gegensatz zum Wissen darüber im Volk, konnten die Rezepte in den Klöstern auch aufgeschrieben oder mit denen in alten medizinischen Büchern verglichen werden. Blumen enthielten die Gärten, um die Altäre und die Kirchen zu schmücken.

In den hauseigenen Skriptorien wurden Handschriften verfasst oder kopiert und mit kunstvollen Miniatueren bemalt. Die Ordensfrauen, die dieses Wissen anwandten und weitergaben, waren meistens sehr talentiert. Den Büchern kamen in den Klöstern grösste Bedeutung zu. Sie dienten in erster Linie der Unterweisung. In den Bibliotheken befanden sich aber jeweils nicht bloss biblische Schriften oder Texte von Kirchenvätern, sondern auch solche über antike Philosophen, über die Heilkunde und Erbauungsliteratur. Die Klöster pflegten untereinander einen regen Büchertausch.

Da das Studium der Heiligen Schrift zur Ausbildung in den Klöstern gehörte, mussten die Nonnen des Lesens, Schreibens und des Lateins mächtig sein. Im Mittelalter gehörten sie damit zu einer kleinen, elitären Schicht. Sie wurden sogar im Briefeschreiben unterwiesen, damit sie in der Lage waren, ihre Anliegen auch ausserhalb der Klostermauern zu vertreten.

Kein Wunder, dass Aebtissinnen, die oft aus reichen, adeligen Familien stammten, nicht nur religiöse Macht ausübten, sondern auch grossen politischen und wirtschaftlichen Einfluss besassen.

Sie herrschten über Ländereien, ernannten Pfarrer und liessen neue Kirchen und Klöster bauen. Eine Oberin besass das Siegelrecht. Dafür hatte sie zwei Siegel, den des Konventes und den persönlichen. Als Zeichen der Würde trugen sie den Aebtissinnenstab. Sie verhandelten mit Kaisern und Königen und einige hatten als Reichsfürstinnen einen Sitz in der Ständeversammlung des Heiligen Römischen Reiches.

Aber selbstverständlich war das Wichtigste für alle Nonnen, die Braut Christi zu sein. Zu dieser „Verheiratung“ erhielten sie den Schleier und einen Ring und gelobten lebenslange Keuschheit. Ihr Ehemann war ja jetzt Christus, ihm schenkten sie ihr Herz. Das „Hohelied der Liebe“ aus dem alten Testament wurde dabei dem weltlichen Eros enthoben und aufs Geistige und Seelische hin gedeutet.

Sehr fleischlich war dann aber oft die Nachfolge im Leiden Jesu, die sich in Geisselungen äusserte. Manche Nonnen liessen sich von ihren Mitschwestern schlagen und damit die Schmerzen noch schlimmer wurden, waren die Geisseln mit Knochen oder Holzteilchen versehen.

Nonnen lebten nie ohne Kontakte zu Männern. Oft lagen Männerklöster und Frauenklöster nicht weit entfernt voneinander, aber auf jeden Fall benötigten sie stets Priester, die die Messe lasen, die Beichte abnahmen und Sakramente austeilten. Höchstwahrscheinlich ging es in den Klöstern weder so gesittet zu und her, wie die Ordensregeln des Benedikt von Nursia dies vorsahen, noch so wild, wie einige Leute dies in die damalige Zeit hinein projizierten. Aber es gibt doch erstaunliche Tatsachen zu erwähnen, wie, dass Katharina von Zimmern, die letzte Aebtissin des Fraumünsterklosters in Zürich, während ihres Lebens als Ordensfrau eine Tochter bekommen hatte.

Im Zuge der Reformation wurden viele Klöster aufgelöst. Mehr dazu erfährt ihr in meinem Blogbeitrag zu Zwingli. https://creative-brain.org/2019/02/04/zwingli-ursprung-der-zuercher-reformation/

Heutzutage leben Nonnen mit der Diskrepanz zwischen Gleichstellung und Selbstbehauptung auf der einen Seite und ihrer 1500-jährigen christlichen Tradition andererseits. Wie sich dieses Klosterleben abspielt, welche Aenderungen es bei „Armut, Gehorsam und Keuschheit“ gab, konnte ich selber in einer Stillen Zeit in einem Kloster von Klarissinnen erleben. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

In der überaus informativen Ausstellung im Landsmuseum werden euch viele wichtige Frauen vorgestellt und interessante Details nahe gebracht. Ich bin wirklich begeistert über diese Ausstellung, die die unglaubliche Vielfalt und den geistigen Reichtum aufzeigt, die das Leben von Nonnen im Mittelalter bereit hält. Wer immer sich für starke Frauen interessiert, muss hin!

Die Ausstellung NONNEN. STARKE FRAUEN IM MITTELALTER fand im Landesmuseum in Zürich statt.

http://www.landesmuseum.ch

Die Fotos habe ich alle in dieser Ausstellung gemacht.

Eine Antwort auf „Nonnen: die gebildeten Frauen des Mittelalters

  1. Sehr interessant. Ich wusste gar nicht wieviel Einfluss diese Nonnen im Mittelalter hatten. (Natürlich immer unter Aufsicht von Männern, zu viel konnte man den Frauen nicht gewähren, sie waren trotzdem immer noch FRAUEN). Aber von diesen Freiheiten können heutige Nonnen nur träumen.s

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