Kampf um Sichtbarkeit: Künstlerinnen im 19. Jahrhundert

Bis ins 19. Jahrhundert konnten Frauen in Deutschland nur in einem engen Korsett eine künstlerische Berufsausbildung erhalten etwa innerhalb eines Klosters, in speziellen Damenschulen oder in den Werkstätten von Künstlern. Die Zugangsmöglichkeiten zu den Akademien waren ihnen verwehrt.IMG_2448 Eines der Probleme dabei war das Aktzeichnen! Damen sollten nicht von nackten männlichen und weiblichen Körpern  „belästigt“ werden.  Dabei war das Aktzeichnen sowie das perspektivische Wissen die Voraussetzung für die Mythologische Malerei und die Historienmalerei! Auch die Landschaftsmalerei war davon betroffen. Somit wurde den Künstlerinnen fast die gesamte „Kunstwissenschaft“  vorenthalten. Daraufhin beklagte man sich damals, dass die „Kunstweiber“ ja nichts anderes Zustande brachten wie Stillleben und Porträts. Zudem wurde ihnen mangelnde Kreativität vorgeworfen.

Nicht, dass es im 19. Jahrhundert kaum Künstlerinnen gegeben hätte. Zwar durften sie sich nicht in den traditionswahrenden Kunst-Akademien einschreiben, aber künstlerisch gearbeitet haben diese Malerinnen und Bildhauerinnen dennoch. Es war ihnen auch keineswegs verwehrt, sich kreativ zu betätigen.

In der bürgerlichen Gesellschaft gehörten Tanz, Zeichnen und Musizieren zum guten Ton. Aber eine ernsthafte künstlerische Tätigkeit von Frauen galt als unvereinbar mit Ehe und Familie. Von den bis Mitte des 19. Jahrhunderts geborenen Künstlerinnen waren nur 25%  verheiratet, von den bis 1900 geborenen dann die Hälfte.

Die zeitgenössische Kunstkritik behauptete damals, dass Frauen in der Kunst nur nachahmend, aber selbst nicht schöpferisch tätig sein könnten. Es wurden ihnen aber erst massiv Hindernisse in den Weg gelegt, sobald sie die Kunst zu ihrem Brotberuf machen wollten. IMG_7225 (1)Das fing mit dem Verbot an, an den etablierten Akademien studieren zu dürfen. Deshalb waren sie auch von den Zugangsmöglichkeiten zu Stipendiensystemen, Künstlervereinigungen und lukrativen Dozentenstellen ausgeschlossen. Es blieb ihnen tatsächlich meist nichts anderes übrig, als in ihrem Bekanntenkreis Porträts zu malen. Je grösser die Konkurrenz durch die vielen Künstlerinnen, desto mehr schotteten sich die Männer in den Akademien ab und hielten sich die lukrativen Posten gegenseitig zu.Frauen Berlin 691 (2) Die Frauen erhielten ihre Ausbildung in privaten Malschulen, in denen sie alles bezahlen mussten, während die Männer an den Akademien alles kostenlos erhielten. Sie fingen daraufhin an, ab 1867 in verschiedenen deutschen Grossstädten Künstlerinnenvereinigungen zu gründen. Sie unterstützten sich dabei, in wichtigen Ausstellungen in Museen, Galerien und an Leistungsschauen SICHTBAR zu werden.Frauen Berlin 715 (2)

Da sie in Deutschland an der akademischen Ausbildung gehindert wurden, gingen einige der Künstlerinnen nach Paris. Ab 1898 war an der Ecole des Beaux-Arts  das reguläre Studium möglich und auch einige private Akademien liessen Frauen zu. Einen Nachteil gab es auch dabei: Frauen mussten die doppelte Studiengebühr bezahlen wie Männer! Dennoch: Paris wurde für viele ein Ort persönlicher und künstlerischer Freiheit.

Währendessen  waren an den Akademien in Deutschland Reformen und Umstrukturierungen im Gange hin zu mehr künstlerischer Autonomie. Ein antiakademischer Trend entstand. Der Künstler als autonomes Genie. Es kann behauptet werden, dass erst als die Männer die Akademien in Frage stellten und ein Bedeutungsverlust der Akademien stattfand, die Frauen endlich darin aufgenommen wurden. In Deutschland war das  1919 nach dem ersten Weltkrieg.Frauen Berlin 689 (2)

Die Alte Nationalgalerie in Berlin hatte bereits seit dem 18. Jahrhundert Kunst von Frauen für ihre Sammlung  aufgekauft, aber nicht zwingend auch ausgestellt.   Mit grossem Aufwand und vielen Förder- und Sponsorengeldern wurden nun zahlreiche Werke restauriert und werden jetzt präsentiert. IMG_2400 60 malerische und bildhauerische Werke  von bereits bekannten und unbekannten Künstlerinnen werden zur Schau gestellt.  An dieser Ausstellung der Sammlung in der Alten Nationalgalerie konnten wir uns selbst einen Eindruck machen, wie gut die Qualität der Malerinnen und Bildhauerinnen aller Widrigkeiten zum Trotz war.IMG_7200 (1)

http://www.smb.museum

Gemälde der folgenden Künstlerinnen:

Titelbild: Dora Hitz,  1856-1924

Sabine Lepsius 1864-1942

Antonie Volkmar 1827-1903, Marie Wiegmann 1820- 1893, Vilma Parlaghy 1863-1923

Friederike O‘ Connell 1822-1885

Marie von Parmentier 1846-1879

Dora Hitz 1856-1924

Gertrus Zuelzer 1873-1968

Anna Dorothea Therbusch 1721-1782

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